Crowdlogistik

Hintergrund Crowd-Logistik


Crowdlogistik hat seinen Ursprung in dem Begriff Crowd-Sourcing. Crowd-Sourcing ist ein Neologismus der Begriffe “Crowd” und “Outsourcing”, wobei “Crowd” als Masse von Menschen definiert wird und “Outsourcing” mit der Verlagerung von Prozessen, Funktionen und Pflichten zu dritten Parteien. Das Crowd-Working war eine der ersten Formen des Crowd-Sourcing, bei dem die Crowd-Mitglieder wie Angestellte agieren und die Arbeit übernehmen, die zuvor in einem Unternehmen geleistet wurde.

Die Entwicklung neuer Arbeitsformen wird häufig durch die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft massiv unterstützt. Crowd-Working wird über eine Informations- und Kommunikationsplattform organisiert, die von einem Unternehmen oder einem Intermediär betrieben wird und auf die extern über das Internet oder intern über das Intranet zugegriffen werden kann. Aufgrund der starken Kumulation von Wissen sowie des erwarteten wirtschaftlichen Nutzens wird das Potenzial von Crowd-Sourcing als sehr hoch eingeschätzt. Eine Variante des Begriffs Crowd-Sourcing ist der Begriff Crowd-Funding. Genauso wie für das Crowd-Funding kann auch für die Crowd-Logistik angenommen werden, dass ein großer Bedarf an qualitativer und quantitativer Forschung besteht, so dass neue Forschungsmethoden an diesen neuen Bereich anpasst werden müssen (s. 1).

Mehmann et. al. definiert den Begriff wie folgt: „Crowd-Logistik bezeichnet das Outsourcing von Logistikdienstleistungen an eine Vielzahl von Akteuren, wobei die Koordination durch eine technische Infrastruktur unterstützt wird. Das Ziel von Crowd-Logistik ist es, einen wirtschaftlichen Nutzen für alle Beteiligten und Aktionäre zu erzielen.” (s. 2)

Mit der technischen Infrastruktur als Kommunikationsmedium wird eine Plattform bereitgestellt, auf die auf verschiedene Weise zugegriffen werden kann (Mobiltelefon, Webbrowser usw.). Ziel der Plattform ist es, Nachfrage und Angebot für Transportdienstleistungen zu koordinieren. Darüber hinaus sind auch Managementprozesse und Rechnungsverarbeitung Aufgaben, die auf der Plattform ausgeführt werden.

Der wirtschaftliche Nutzen basiert auf der Sharing Economy, einem Konzept, bei dem ein gesteigerter Wohlstand durch die Aufteilung von Gütern (Dienstleistungen usw.) zwischen den Marktteilnehmern erreicht wird. Nach der Definition von Mehmann et. al. ermöglicht Crowdlogistik die Generierung neuer Logistikdienstleistungen und die Verbesserung bestehender logistischer Dienstleistungen (z. B. Last-Mile-Transport) in Bezug auf Volumen, Geschwindigkeit und Flexibilität, was für viele Stakeholder zu wirtschaftlichen Win-Win-Effekten führt. Im Allgemeinen erhält der Anfragende eine bequemere und flexiblere Logistikdienstleistung und der Lieferant erzielt Geldvorteile, die ohne Crowdlogistik nicht möglich wären. Das Potenzial von Crowdlogistik zeigen verschiedene erfolgreichen Unternehmen, wie z. B. der Taxi-Service Uber.

Demgegenüber wird zunehmend in der Praxis festgestellt, dass bestehende Arbeitsmarktmodelle zum Nachteil des Arbeitnehmers (CrowdWorker) verändert werden, insbesondere wenn es sich wie im Crowdlogistik Bereich um den Niedriglohnsektor handelt (s.3). Probleme sind in diesem Zusammenhang:

  • Scheinselbständigkeit des Crowdworkers
  • Sinkende Lohnniveaus
  • Verlagerung von Verantwortlichkeiten und Ressourcenbereitstellung auf den Arbeitnehmer
  • Aufweichung des Kündigungsschutzes

Crowdlogistik Modelle haben somit durchaus ein hohes wirtschaftliches Potential, sind aber Entwicklung eines konkurrenzfähigen, aber gleichzeitig im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmodells auf Basis des Crowd-Ansatzes (s. 4).

Nachhaltige Crowdlogistik mit CrowdWorkern


Der Crowdlogistik-Ansatz des NaCl-Projektes verfolgt eine nachhaltige Umsetzung in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Der Einsatz elektromobiler Lastenräder, die Nutzung einer digitalen Kommunikationsplattform, die Bündelung unterschiedlicher Produkte und Auftraggeber in einer Tour sowie die dynamische Anpassung von bestehenden Touren an Pickup and Delivery-Aufträge beinhalten viele ökologische und ökonomische Vorteile.

Insbesondere auf der sozialen Ebene soll über den Einsatz von CrowdWorkern die Arbeitssituation der permanenten Zusteller verbessert werden. Dies entlastet die Auslieferungsfahrer, wodurch deren Motivation erhöht und die Fluktuationsrate verringert wird, was wiederum Auswirkungen auf die ökonomische Situation der KEP-Dienstleister hat.

Als CrowdWorker werden in dem Projekt Studierende der Hochschule Bremerhaven angestellt, die flexibel in Spitzenzeiten, bei einem hohen Arbeitsaufkommen oder für kurzfristige Mehrarbeit, wie z. B. eine Pickup and Delivery-Tour, schnell und unkompliziert einspringen können. Dabei ist darauf zu achten, dass die festangestellten Mitarbeiter zu 100% ausgelastet sind und die CrowdWorker nur dann hinzugezogen werden, wenn eine Überbelastung vorliegt. Die CrowdWorker erhalten eine Anstellung bei der Weser Eilboten GmbH und sind darüber sozial- und haftpflichtversichert. Die elektromobilen Lastenräder sowie die App zur Kommunikation und für die Tourendarstellung werden von der Rytle GmbH gestellt. Die CrowdWorker nutzen nur ihr eigenes mobiles Endgerät für die App. Ein Führerschein zum Führen des Lastenrades wird nicht benötigt, wodurch die Flexibilität in der Auswahl von CrowdWorkern noch einmal ansteigt.

Es wird angestrebt, dass der nachhaltige Crowdlogistik-Ansatz auch nach Projektende von den beiden Projektpartnern weiterverfolgt wird. Hierbei ist es denkbar, dass in Zukunft auch die permanent angestellten KEP-Zusteller die Paketauslieferung im innerstädtischen Bereich über Lastenräder realisieren.


1 Mehmann J., Frehe V., Teuteberg F. (2015). Crowd-Logistics – A Literature Review and a Maturity Model, In: Innovations and Strategies for Logistics and Supply Chains, S. 122f., epubli GmbH, Hamburg.
2 Mehmann J., Frehe V., Teuteberg F. (2015). Crowd-Logistics – A Literature Review and a Ma-turity Model, In: Innovations and Strategies for Logistics and Supply Chains, S. 123, epubli GmbH, Hamburg
3 Abel, J. R., Florida, R., Gabe, T. M. (2018). Can Low-wage Workers Find Better Jobs? (April 1, 2018). FRB of New York Staff Report No. 846. Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3164963 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn. 3164963
4 Wagner vom Berg, B., Moradi, M. (2019): Sustainable labor conditions by Gig-economy – Casestudy: Sustainable Crowdlogistics (NaCl). Weizenbaum Conference 2019. (eingereicht)